Die Jugendsektion in L’Aubier
VON FLORIAN MENDE | MAI 2025
Die Schweizer Berge mit ihrem saftigen Grün, dem tiefblauen Neuenburger See und den weiß schimmernden, schneebedeckten Gipfeln in der Ferne empfingen uns ebenso herzlich wie Marc Desaules, Mitgründer von L’Aubier, im dortigen Biohotel. L’Aubier, nahe Neuchâtel, begann vor über 40 Jahren mit einem kleinen Bauernhof. Heute umfasst es ein Biohotel mit Restaurant, eine große Demeter-Farm, eine generationsübergreifende Wohnsiedlung und ein Jugendseminarzentrum. Eine Vielzahl an Lebensbereichen – und ausreichend Erfahrung, um uns 13 jungen Erwachsenen Raum für unsere Fragen rund ums Thema Geld zu geben.
Wie können wir selbst einen stimmigen Umgang mit Geld finden?
Wie gehen Initiativen mit Geld um?
Welche Qualitäten und Farben hat Geld?
Ich möchte gerne den Weg der Reise über 3 Tage mit den Erkenntnissen der 4 Stationen für euch skizzieren, damit er weiter anregt, Fragen hervorruft oder den Kopf zum Schütteln bringt.











1. Individuell – Der eigene Umgang mit Geld
Jede*r von uns brachte persönliche Fragen zum Thema Geld mit. Die gesellschaftlichen Konventionen bieten oft keine stimmigen Antworten mehr oder sind in ihrer Eindeutigkeit nicht mehr vorhanden – individuelle Entscheidungen für die aktuelle persönliche Situation werden wichtiger.
Geld kann uns dabei als Spiegel unserer Handlungen dienen: Anfangs noch beschlagen, wird es mit mehr Bewusstsein und Reflektion klarer – und fordert uns heraus, dem eigenen Spiegelbild gewachsen zu sein. Wir sollten nicht etwa aufhören, Fragen zu stellen, und somit ähnlich wie Parzival ein tumber Tor zu werden oder uns gar wie Amfortas nur noch egoistisch um uns selbst zu drehen.
2. Initiativen – Freiheit und Verantwortung zusammen denken
Für den Umgang mit Geld in Initiativen braucht es eine neue Balance zwischen individueller Freiheit und gemeinschaftlicher Verantwortung. Es passt nicht mehr, dass Entscheidungen über Geld von außenstehenden Gruppen getroffen werden, die selbst keine Verantwortung tragen. Die Prinzipien von Verantwortungseigentum – Selbstbestimmtheit und Vermögensbindung – bieten hier neue Perspektiven.
3. Geldqualitäten mit Überschüssen – Drei Farben des Geldes
Hier wurde es farbig – und knifflig:
Wir haben herausgearbeitet, dass Arbeit an sich keinen Wert hat, erst ihr Ergebnis – Produkt oder Dienstleistung – macht sie wertvoll. Der Lohn für Arbeit kann daher als Schenkgeld (gelb) verstanden werden für das menschliche Tun. Er ergibt sich aus den Überschüssen nach Erträgen und Aufwendungen für das Produkt/ die Dienstleistung und kann dann verteilt werden. Es ist etwas sperrig, den Schenkgeldbegriff darauf zu übertragen, aber alles, was als Überschuss verteilt wird, hat diese Schenkgeldqualität in sich. Heute werden Gehälter oft als Personalkosten zugeordnet und damit schon vorher abgezogen.
Im Kaufgeld (rot) zeigt sich ein „Win-Win-Win“: Zwei Seiten einigen sich auf einen echten Preis – sofern die Bedürfnisse aller Beteiligten, der Natur und Zukunftsgenerationen berücksichtigt werden. Durch diesen Vorgang haben beide Seiten ihre Situation verbessert, sonst hätten sie nicht zugestimmt und es entsteht ein zusätzlicher Gewinn für das Ökosystem. „Ich sehe dich und du siehst mich“. Leider ist es sehr schwer, diese echten Preise zu gestalten. Oft werden negative, aber auch positive Effekte auf das Umfeld nicht mit eingepreist. Beispielsweise der Humus und Bodenaufbau in der Demeterlandwirtschaft und die damit verbundene C02 Speicherung ist eine Dienstleistung, die nicht extra bezahlt wird. Die Bodendegradation in der extensiven Landwirtschaft wird ebenfalls nicht bepreist.
Leihgeld (blau) wiederum basiert auf dem Vertrauen in die Fähigkeiten des anderen, damit etwas zu tun, was von der Welt gebraucht wird. Heute wird dieses Vertrauen oft durch Sicherheiten ersetzt – etwa über Grundschulden auf Immobilien. Damit bleiben Kreditwerte erhalten, auch wenn die Fähigkeiten nicht ausgereicht haben und das geliehene Geld nicht mehr zurückgezahlt werden kann.
Besonders spannend wird es in der Verbindung mit dem bekannteren Schenkgeld! Hier wird etwas einfach hingegeben, damit etwas Neues, Freies entstehen kann. Es ist wie der Vernichtungsprozess des einen, des geschenkten Geldes, welches dann sein Potential woanders entfalten kann. Beispielsweise in Form der Ermöglichung meiner Lebensgrundlage, damit ich meine Arbeit einbringen kann für die Gesellschaft. Wenn jetzt aber, wie bei vielen gemeinnützigen und kulturellen Initiativen, Spendengelder in den Boden fließen, dann steht dieses Potenzial nicht für die Aktivität zur Verfügung. L’Aubier hat deshalb schon früh angefangen, Darlehen aus einem Unterstützerkreis zu erfragen, die das Geld möglichst zinsfrei zur Verfügung stellen können – mit dem Vertrauen in die Fähigkeit der Menschen in der Initiative und in die Werte der Gebäude und Grundstücke. Damit war weiterhin Geld für die Aktivitäten da und es ist nicht in den Boden geflossen. Dies ist heute ein Kunststück, da man so als Initiative schnell wie eine Bank agiert. In Österreich ist es letztes Jahr einer Initiative gelungen, dies mit der Aufsicht über einen Fonds zu lösen.
Buchhaltung und Geldqualitäten – Drei Farben im Spiegel der Zahlen
In der Erfolgsrechnung werden die Erträge und Aufwände innerhalb einer bestimmten Periode sehr genau abgebildet und aufgezeigt. Hier sind wir im Kaufgeld-Bereich (rot), die Überschüsse können dann verteilt werden an die Menschen bzw. Mitarbeitenden, den Staat (Steuern), an Kapitalgeber (Banken, Tilgung und Zinsen) oder als Abschreibungen. All diese Verteilungen werden am besten mit der Schenkgeldqualität (gelb) beschrieben; wenn es sich auch um einige „Zwangsschenkungen“ handelt, wo heute noch keine individuelle Freiwilligkeit zugrunde gelegt ist.
Die Bilanz, welche zeigt, was man hat und wie es finanziert wird oder wurde, ist sehr real, aber es ist immer fragwürdig, ob der angesetzte Wert stimmt. Hier sind wir in der Leihqualität (blau) in die Fähigkeit der Person.
4. Neues ermöglichen – Geld als Potenzialträger
Wenn wir Geld, Initiativen und Unternehmen so verstehen, können sie uns als Spiegel unserer Selbst dienen – als Übungsfeld für Verantwortung. Und als Orte, an denen Überschüsse verschenkt werden, damit Neues entstehen kann.
Dann werden Unternehmen und Initiativen in ihrem Umgang mit Geld zu den neuen Tempeln.
Mit diesem Viersprung an Erkenntnis-Stationen durften wir L’Aubier reich beschenkt und gestärkt wieder verlassen. Für das Initiativteam der Jugendsektion in Deutschland haben wir daraufhin gemeinsam einen praxisbezogenen Geldraum geöffnet – und über den zukünftigen Umgang mit Geld entschieden.
Ein herzlicher Dank an Marc Desaules und das Team von L’Aubier für das offene Willkommen.
Danke auch an den Zweig Freiburg und die Jugendsektion für die Organisation und finanzielle Unterstützung.