Johanni Treffen 2025
VON SANDRO BELKANIA | AUGUST 2025
Am zweiten Juliwochenende hat die deutsche Jugendsektion erneut zu einem gemeinsamen Johannitreffen eingeladen. Etwa dreißig junge Menschen aus ganz Deutschland, aber auch aus dem europäischen Ausland kamen auf den grünen Wiesen von Schloss Hamborn zusammen. Das Thema vom diesjährigen Treffen war die Rolle des Individuums in Gemeinschaft oder wie der Name der Veranstaltung es prägnant auf den Punkt gebracht hat, gemeinsam unterschiedlich zu sein.
Im Einklang mit Vogelzwitschern und Kuh-Muhen wurde auf dem Bauernhofgelände viel gesungen und getanzt. Das Essen, das hauptsächlich aus biodynamischen Produkten zubereitet und neben dem Kuhstall genossen wurde, hat trotz der Begleitung des Kuhstallgeruchs lecker geschmeckt. Die Aufgabenverteilung war so geregelt, dass jede sich einbringen konnte. Zwischen dem Organisationsteam und den Teilnehmenden hat man keine hierarchische Distanz gespürt, so dass die Veranstaltung durch wechselseitige Verantwortung gemeinsam gestaltet wurde. Die Stimmung war also locker und vertraulich.
Die Programmgestaltung schien mir gut gelungen zu sein – nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Die drei Einheiten, die als Hauptimpulsgeber gedient haben, wurden durch mehrere Diskussions- und Gesprächsrunden vertieft und ergänzt. Die Grundfrage, wie es uns gelingt gemeinsam unterschiedlich zu sein, wurde aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Zuerst wurde durch einen Vortrag eine Einführung in die Dreigliederung des sozialen Organismus als den modernen sozialen Impuls gegeben. Danach sind die drei Stufen in der Menschheitsentwicklung von selbstlosen Gemeinschaften über die Individuation bis zur bewussten Gemeinschaftsbildung erlebnispädagogisch vertieft worden. Schließlich wurden individuelle Unterschiede und soziale Gemeinsamkeiten mit der künstlerischen Tongestaltung sichtbar gemacht.
Die Beiträge der Teilnehmenden während der Gesprächsrunden haben den Eindruck erweckt, dass die Impulse auf fruchtbaren Boden gestoßen sind. Allerdings machte sich auf dem Treffen überwiegend die lockere Vernetzungs- und Kennenlernenlaune geltend, so dass die inhaltlichen Punkte eher sekundär ihre Thematisierung fanden. Auch wenn das Vernetzen, sich Begegnen und Kennenlernen eins der Hauptziele solcher Veranstaltungen sind, habe ich die ernsthafte Beschäftigung damit, was die Geisteswissenschaft als Zeitforderung will und wie diese zu begreifen ist, doch vermisst. Vor allem die Jugend könnte die Aufgaben und Impulse begreifen, die uns das derzeitige Weltgeschehen gibt. Diesen könnte sie mithilfe der Geisteswissenschaft kraftvoller und lösungsorientierter begegnen. Für die Vertiefung in die zeitgenössischen Weltereignisse könnte man künftig durch die Beschäftigung mit aktuellen Themen mehr Anregung finden.
Auf dem Treffen wurden also die Neugier und das allgemeine Interesse deutlich sichtbar; die Arbeit an der Konkretisierung des Interesses, am nüchternen Verständnis dessen, was man eigentlich macht, wenn man der geisteswissenschaftlichen Forschung nachgeht, könnte in der Zukunft jedoch entschlossener aufgenommen werden. Dieses Bild trifft meinem Eindruck nach auch auf die Situation der deutschen Jugendsektion zu: Eine Organisation, die sich zur Aufgabe gemacht hat, interessierte junge Menschen zu vernetzen; eine Gruppe von Menschen, die den Mut haben den Raum für neue Impulse zu schaffen; eine Sektion, die aber noch Schwierigkeiten hat, eigene Stellung in der Gesellschaft zu finden und sich darin zu orientieren. Für mich machen sich diese Schwierigkeiten bei der Beantwortung der folgenden Fragen bemerkbar: Was ist eigentlich eine Sektion? Will die Jugendsektion als eine Kultureinrichtung in der Gesellschaft ihre Rolle finden? Oder schafft sie bloß den Raum für Vernetzung? Vielleicht will die (Jugend)Sektion vollkommen was Neues in die Welt bringen, wodurch sie sich von allen anderen existierenden Einrichtungen oder Organisationen unterscheiden würde? Könnte es sein, dass die Herausforderung genau im Finden des Wirklich-Neuen liegt? Wie können wir dieses Neue finden? Auf diese Fragen eine Antwort zu geben, ist keine einfache Aufgabe. Die Fragen könnten aber dabei helfen, den Selbsterkenntnisprozess voranzutreiben. Nun soll die Jugendsektion diesen Prozess keineswegs alleine durchgehen, vielmehr soll die Beantwortung solcher Fragen für alle von Interesse sein, die sich für das Gedeihen der Geisteswissenschaft als Zeitforderung verantwortlich fühlen. Im gemeinsamen Austausch und in der selbständigen Vertiefung hoffe ich, dass die Kraft für die Bewältigung der angesprochenen Schwierigkeiten gefunden werden kann.
Zum Autor:
Sandro Belkania hat Biologie, Geschichte und Philosophie in Tbilissi und Jena studiert. Zurzeit Promoviert er an der Friedrich-Schiller-Universität Jena